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Ausblick Sägewerkskongress: Was erwartet die Generation Y vom Berufsleben? „Mit einem Tischkicker und Yoga-Einheiten ist es nicht getan.“

19.02.2018
Dr. Steffi Burkhart

Die Zeichen der Holzbranche stehen auf Veränderung: nach Weltwirtschaftskrise, schwieriger Rohstoffversorgung und angespannter Ertragslage bietet die aktuelle Marktentwicklung vielfältige Chancen und Potenziale. Doch welche Weichen gilt es zu stellen? Unter dem Motto Holzindustrie 2025 – Erfolgsfaktoren für ein nachhaltiges Wachstum möchten wir dieser Frage beim Sägewerkskongress am 14. und 15. März 2018 in Würzburg nachgehen. Vorab stellen wir Ihnen einige Referenten und Diskutanten im Kurzinterview vor.

Dr. Steffi Burkhart, Expertin zur Generation Y

Die ehemalige Leistungssportlerin studierte nach ihrer Karriere Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln. Ihre erste Berufserfahrung sammelte sie im Betrieblichen Gesundheitsmanagement eines Großkonzerns und promovierte parallel im Fach Gesundheitspsychologie. Für ein Start-up baute sie anschließend eine Führungskräfte-Akademie auf und leitete diese erfolgreich. 2015 entschied sie, sich professionell als Rednerin und Autorin für die Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche ihrer Generation einzusetzen. Seitdem ist sie gern gesehener Gast auf großen Bühnen, in Expertenkreisen der Deutschen Wirtschaft sowie in Funk und Fernsehen.

Internetseite von Dr. Steffi Burkhart: www.steffiburkhart.com

Dr. Steffi Burkhart spricht am 15. März um 13:45 Uhr.

Frau Dr. Burkhart, Sie sprechen auf dem Sägewerkskongress zum Thema Nachwuchskräfte. Ihr Fokus liegt auf der Generation Y. Wie wird diese Gruppe definiert?

Demografisch umfasst die Generation Y, auch Millennials-Generation genannt, die Jahrgänge 1980 bis 1995. Sie stellt die Alterskohorte der heute 20- bis Mitte-30-Jährigen dar. Es ist somit die jüngste Generation im Arbeitsmarkt.

Welches sind die verbindenden Charakteristika der Generation Y?

Die Millennials-Kohorte, also die „Next Generation“, hat die Deutungshoheit über die wichtigste Massentechnologie unserer Zeit, das Internet. Diese Deutungshoheit strahlt auf Bereiche wie Wirtschaft, Politik und gesellschaftliche Meinung aus. Es sind somit die Millennials, die das Thema der Digitalisierung und deren Geschäftsmodelle vorantreiben.

Wie stark prägen Millennials bereits die heutige Wirtschaft?

Alle relevanten großen Unternehmen aus dem Tech-Bereich, gerade im Silicon Valley, wurden entweder von Millennials gegründet oder die Mehrheit der Mitarbeiter gehören dieser Generation an. Viele dieser Unternehmen aus der New Economy haben heute eine höhere Marktkapitalisierung als Unternehmen aus der Old Economy. Noch vor 20 Jahren, als wir, die Millennials, im Kindergarten und Grundschulalter waren, hätte es niemand für möglich gehalten, dass die Ideen und Unternehmen meiner Generation im Jahr 2018 jahrhundertealte und etablierte Unternehmen überholen. Keine Professoren, keine Lehrer, keine Eltern und vermutlich auch nicht die Leser dieses Interviews.

Geht die Generation Y in die New Economy, weil die Old Economy in Deutschland sich ihrer Potenziale verschließt?

Als Generation sind wir hierzulande quantitativ in der Minderheit und man hat uns bis dato noch keine echte Verantwortung übertragen. Im Gegenteil: es ist immer noch eine Ausnahme, wenn ein Millennial im Vorstand eines Unternehmens sitzt. Bis auf den Bereich Gründung, wo wir sicherlich die Hauptideengeber sind, passiert derzeit noch relativ wenig in Deutschland, ja.

Warum knirscht es besonders zwischen den sogenannten Babyboomern, die heuer in den Führungsetagen etablierter Unternehmen sitzen, und Vertretern der Generation Y?

Wir Millennials finden uns häufig in stark hierarchisch organisierten Organisationen wieder oder sind mit Führungskräften konfrontiert, die ein Top-down gesteuertes Denken und Handeln an den Tag legen. Beides erschwert es, unser Potenzial einbringen zu können. Bis auf Einzelfälle sitzen in Unternehmen, Ministerien und zentralen gesellschaftlichen Positionen ausschließlich Vertreter älterer Generationen, die im Modus „Erfahrung“ untereinander Geschäfte oder füreinander Politik machen. Dass sich im Zweifel dann nichts ändert, braucht niemanden zu wundern. Um erfolgreich zusammenzuarbeiten, müssen wir neu denken und die Beziehung zueinander, also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, neu interpretieren.

Ihr Anliegen ist es, die Bedürfnisse junger Menschen gegenüber Wirtschaft und Politik zu kommunizieren. Was sind Ihre Kernbotschaften?

Hierarchie war gestern. Heute und morgen geht es um Kooperation, Partizipation, Interaktion, Teamarbeit und gute Kommunikation. Leider bildet auch unser Schulsystem noch immer fürs alte Industriezeitalter aus. Im Informations- und Digitalzeitalter kommt es aber auf andere Kompetenzen als Auswendiglernen und Dienst nach Vorschrift an.

Welche Rolle spielen Führungskräfte im Arbeitsmodell der Zukunft?

Wir müssen anfangen, Management, Leadership und Fachexpertise differenzierter zu betrachten. Ich beobachte bei den Millennials ein Bedürfnis nach guter Menschenführung – sonst sind wir weg. Wir kommen aus einer Zeit, in der Top-Vertriebler zu Führungskräften befördert wurden. Von Management-Skills auf Führungsqualität zu schließen, ist aber ein Trugschluss! In einem dynamischen und wettbewerbsintensiven Marktumfeld, reichen mittelmäßige Führungskräfte nicht mehr aus. Wenn wir wollen, dass Organisationen und Menschen permanent Ideen entwickeln und agiler arbeiten, brauchen wir gut ausgebildete Leader, die es verstehen, passende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Als Zeitgeist in Sachen Arbeitsumfeld wird gerne das Silicon Valley angeführt. Was kann die Holzindustrie von dort lernen? Und - bei allen Unterschieden- anwenden?

Mit einem Tischkicker und Yoga-Einheiten ist es zumindest nicht getan. Es geht um den Kern, also einen kulturellen Change. Dieser sollte auf drei Ebenen stattfinden: In der Organisationsstruktur sollten Netzwerke Hierarchien ablösen sowie Orte und Arten der Zusammenarbeit verändert werden. Auf personeller Ebene geht es um Empowerment, also Verantwortungsübertragung. Das schließt Menschenbilder, Arbeitsmethoden, Kollaborationsformen und Führungskultur ein. Und nicht zuletzt geht es um die Anwendung moderner Technologie.

Medial steht die Generation Y im Ruf, nicht zu wissen, was sie möchte. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?

Jein. Wir erleben durchaus junge Menschen, die noch nicht wissen, was sie wollen. Die Multioptionalität unserer Zeit, ermöglicht es, uns vielfältig auszuprobieren. Das führt mitunter zur Annahme, wir wüssten nicht, was wir im Leben wollen. Die Lebenswelt ist aber nicht mehr vergleichbar mit der von vor zehn oder 20 Jahren. Das ist Fluch und Segen zugleich für meine Generation. Denn manche sind offen für permanente Wechsel, andere nicht.

Die Generation Y erhebt den Mangel an Verantwortung mitunter auch zur Tugend und hält sich alle Optionen offen. Wie realistisch ist es, Nachwuchskräfte für das eigene Unternehmen aufbauen zu können?

In der Tat sind wir die illoyalste Generation, was die Zugehörigkeit zu einer Organisation oder einem Unternehmen angeht. Das hat Gründe: Needs are bigger than Brands. Sofern wir woanders ein besseres Arbeitsumfeld und bessere Entwicklungschancen sehen oder das Bedürfnis haben, mehr Wirkkraft erzeugen zu können, sind wir ganz schnell weg. Prognosen gehen davon aus, dass unsere Generation rund sechs Mal im Berufsleben den Job wechselt – und das schließt auch Branchenwechsel ein. Vermutlich werden bis 2030 rund 40 Prozent der Millennials als freie Projektarbeiter mit Unternehmen kooperieren, statt sich anstellen zu lassen. Das Phänomen „Einmal Daimler, immer Daimler“ ist zumindest ausgestorben.

Sehen Sie Wege, qualifizierte Mitarbeiter halten zu können? Wenn ja, welche?

In Zeiten der Multioptionalität und annähernden Vollbeschäftigung wird es schwierig. Wir befinden uns im sogenannten „War for Talents“. Das hat mehrere Gründe. Zum einen die demografische Entwicklung: Wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht, kommen zu wenige Fachkräfte nach, um die Personallücken zu schließen. Des Weiteren beobachten wir bei jungen Menschen den Wunsch nach Selbstständigkeit, entweder als freier Projektarbeiter oder als Gründer beziehungsweise Mitgründer eines Start-ups. Drittens befinden sich die Unternehmen in ihrer Digitalen Transformation. Um diese erfolgreich realisieren zu können, brauchen sie zwingend die Digitalen Könner meiner Generation. Von denen gibt es aber nicht viele auf dem Markt. Im Gegenteil: Angebot und Nachfrage stehen im Ungleichgewicht. Wer es nicht schafft, diese Talente ins Boot zu holen, wird im Wachstum ausgebremst.

Die meisten jungen Menschen zieht es ins kreative Umfeld einer Stadt. Der Ökonom Richard Florida benannte als Folge für die Wirtschaft: „Jobs follow people, not people follow jobs anymore.“ Die Holzindustrie ist im ländlichen Raum verankert. Kann die Branche überhaupt attraktiv sein für die Generation Y?

Kann sie. An diesem Punkt muss die Wirtschaft aber mehr Druck auf die Politik ausüben. Ich höre immer wieder, dass in ländlichen Regionen die digitale Infrastruktur sehr schlecht ausgebaut ist. Das ist eine absolute Katastrophe, weil es Talente vergrault. Politik und Wirtschaft sollten hier stärker zusammenarbeiten.

Wie kann das gelingen?

Man muss den Modus der Erfahrung verlassen. Ein Beispiel: In Monheim, einer kleinen Stadt zwischen Köln und Düsseldorf, hat es ein Bürgermeister aus der Generation Y geschafft, innerhalb von nur sechs Jahren ein attraktives Umfeld für Unternehmen und junge Familien aufzubauen. Wie? Er hat die Gewerbesteuer drastisch abgesenkt, wodurch aus Schulden ein Überschuss geworden ist. Die Stadt hat heute genug Geld, um Schulen zu sanieren, Kita-Gebühren abzuschaffen, Spielplätze zu bauen und ein Glasfasernetz zu legen. Ab diesem Jahr werden alle Bürger Zugriff auf kostenloses W-Lan haben. Bürgermeister Daniel Zimmermann ist somit ein sehr erfolgreiches Beispiel der Next Generation.