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Dr. Ralf Beke-Bramkamp: "Wenn eine nachhaltige Forstwirtschaft und die weiterverarbeitende Holzindustrie nicht 'Klimaretter' sind, wer dann?"

06.03.2019
Dr. Ralf Beke-Bramkamp

2018 zeigte der Klimawandel sein Gesicht: Es war das wärmste Jahr in Deutschland seit Messbeginn, zudem eines der niederschlagsärmsten und sonnenreichsten. Die Auswirkungen auf die Landschaften waren unübersehbar. Einerseits wächst nun das gesellschaftliche Bewusstsein für eine nachhaltige und klimafreundliche Entwicklung, in der Holz als Bau-, Werk- und Verpackungsstoff hervorragende Lösungen bietet. Andererseits stellen der Klimawandel und Wetterextreme den Wald und somit die Rohholzversorgung vor große Probleme. Unter dem Motto "Holz im Klimawandel" möchten der AGR-Rohstoffgipfel und der Kongress der Säge- und Holzindustrie am 14. und 15. März 2019 in Berlin erörtern, wie die Branche im Spannungsfeld klimabedingter Herausforderungen und Chancen erfolgreich agieren kann. Vorab stellen wir einige Referentinnen und Referenten im Interview vor.

Dr. Ralf Beke-Bramkamp, Gründer und Inhaber der PR-Agentur plan B communication

Beke-Bramkamp studierte Politikwissenschaften und internationale Beziehungen an den Universitäten Münster, Cal State (Fulbright) und Johns Hopkins. Nach der Promotion im Bereich US Public Policy arbeitete er am National Institute of Health in Washington und bei den Vereinten Nationen in Wien. Vor seiner Selbstständigkeit 2003 leitete er die Public Affairs der Bertelsmann AG sowie die Unternehmenskommunikation der Karstadt AG und war als Mitglied im Managing Board der PR-Beratung ECC Kohtes Klewes (BBDO) für die Agenturbüros in Berlin und Brüssel verantwortlich. Bei plan B communication berät er Geschäftsführer und Eigentümer von Familienunternehmen und internationalen Konzernen sowie Wirtschaftsverbände. Dr. Ralf Beke-Bramkamp spricht am 15. März zum Thema: "Passt die Botschaft noch? Wie die Branche heute kommuniziert"

Herr Dr. Beke-Bramkamp, welche Assoziationen haben Sie zum Begriff Wald? Welche zu Holz? Und wo rühren diese her?

Nur positive! Da ich als Hundebesitzer im Berliner Südwesten lebe, gehe ich regelmäßig im Wald joggen und spazieren und bin von diesem Erholungsangebot begeistert. Mit dem Thema Holz habe ich seit vielen Jahren in der Zusammenarbeit mit Betrieben der Land- und Forstwirtschaft zu tun. Die blicken nach dem schwierigen Jahr 2018 mit Sturm, Dürre und Borkenkäfer natürlich sorgenvoller auf das Thema Wald.

Gesellschaftlich verbreitet ist die Vorstellung vom Wald als mystischer und symbolischer Ort. Dieses Bild der Natur entstammt vornehmlich der deutschen Romantik. Haben Sie eine Erklärung, warum es die öffentliche Wahrnehmung seit über 200 Jahren prägt?

Bäume und Wälder sind und waren schon immer Projektionsflächen für Wunschdenken und eine vermeintlich heile Welt. Aktuell zeigt sich dies an Trends wie dem Umarmen von Bäumen, dem "Waldbaden". Oder nehmen Sie den bekannten Song der Puhdys: "Alt wie ein Baum möchte ich werden", heißt es da im Text, um dann "zwischen Himmel und Erde zu sein" und seine Träume einzufangen.

Welche Bedeutung hat diese Ausgangssituation für das Issue Management, also die Identifikation und Antizipation von Interessenslagen und Risikopotenzialen?

In der Tat scheint es in der öffentlichen Wahrnehmung des Themas Wald und Holz Parallelwelten zu geben. Da erzielen Bücher über das "geheime Leben der Bäume" Rekordauflagen und ketten sich Demonstranten zu deren Rettung im Hambacher Forst fest; auf der anderen Seite kaufen die Leute nicht weniger Möbel oder andere Produkte aus Holz. Im Gegenteil: die großen Möbeldiscounter wachsen und bedienen das Konsumbedürfnis einer breiten Bevölkerungsschicht nach preiswerten Möbeln.

In umweltsensiblen Bereichen scheinen gewisse kommunikative Schemata zu greifen: Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können Diskurse medial leichter anstoßen und genießen einen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung. Muss sich die Wirtschaft mit der reagierenden Rolle abfinden?

Wir haben eine inzwischen über Jahrzehnte gewachsene, gut organisierte und gut finanzierte "Weltverbesserungsindustrie", die uns Rezepte für saubere Luft und Wasser, gesundes Essen oder eine bessere Umwelt verspricht. Diese NGOs können sich in der Regel gut artikulieren und schaffen für ihre Themen oft eine Öffentlichkeit, die disproportional zu deren tatsächlicher gesellschaftlicher Akzeptanz steht. So sagen viele Verbraucher, dass sie mehr Geld für Fleisch und Tierwohl ausgeben würden, tun es an der Ladenkasse aber nicht, so jüngst eine Studie der Universität Osnabrück. Es gilt, dem Kommunikationsstreben von NGOs nicht nur etwas entgegenzusetzen, sondern die eigenen Belange genauso engagiert und gekonnt öffentlich zu vertreten. Sonst steht bald nicht nur bei RWE am Hambacher Forst der Betrieb still, sondern auch andernorts, wo gut organisierte Naturschutzgruppen Land- und Forstbetriebe beobachten, deren Arbeit protokollieren und gegebenenfalls "Fehlverhalten" zur Anzeige bringen.

Sehen Sie den Endverbraucher überhaupt als Stakeholder der Forst- und Holzwirtschaft? Oder an wen sollte diese sich zur Erreichung ihrer kommunikativen Ziele besser halten?

Unbedingt. Der Endverbraucher ist doch derjenige, der von den NGOs mit ihren Botschaften bearbeitet und erreicht wird oder die Bücher über das "geheime Leben der Bäume" kauft und an deren Inhalte glaubt. Diese Leute gilt es anzusprechen und zu erreichen und das Feld nicht denen zu überlassen, denen man oft nicht zu Unrecht mangelnde wissenschaftliche Grundlagen oder fehlende Toleranz vorwirft. Ohne einen gefällten und verarbeiteten Baum gibt es nun mal kein Holzspielzeug oder nachhaltiges Bauen – aber das muss spannend und positiv erzählt werden!

Um das gesamte Klimaschutzpotenzial von Wald und Holz zu erklären, muss man neben der CO2-Senke der Bäume die Speicherfunktion des Holzes und die Substitution anderer Bau- und Werkstoffe sowie Energieträger einbeziehen. Lassen sich solche Zusammenhänge in die breite Öffentlichkeit tragen? Auch unter der Maßgabe "Keep your message simple"?

Ich halte es da lieber mit der Binsenweisheit von Henry Ford: Wenn eine Ente ein Ei legt, dann tut sie das still und zurückgezogen in einem Busch. Wenn jedoch ein Huhn ein Ei legt, so gackert es laut und flattert herum. Und der Erfolg? Die ganze Welt isst Hühnereier! Was heißt: BE ACTIVE, BE LOUD AND BE POSITIVE!

Mit dem Klimawandel wächst das Bewusstsein für eine nachhaltige und klimafreundliche Entwicklung – und damit für Holz. Gleichzeitig setzen Wetterextreme dem Wald selbst zu und gefährden die Rohstoffversorgung. Welche Botschaft halten Sie für zielführend, um öffentliche und politische Unterstützung in diesem Dilemma zu generieren? Die des "Klimaretters" oder die des "Klimaopfers"?

An dieser Stelle erlaube ich mir eine Rückfrage: Wenn eine nachhaltige Forstwirtschaft und die weiterverarbeitende Holzindustrie nicht "Klimaretter" sind, wer dann? Was aber nicht heißt, dass der Staat in einem schwierigen Jahr wie 2018 Forstbetrieben auch mal helfen kann.